
Klöppeln – Eine faszinierende Handwerkskunst mit Geschichte
Wer das erste Mal ein feines, handgeklöppeltes Spitzenmotiv betrachtet, spürt sofort: Hier steckt Zeit, Geduld und viel Liebe zum Detail drin. Doch woher stammt diese aufwendige Technik eigentlich – und warum ist sie besonders im Erzgebirge so tief verwurzelt?
In diesem Beitrag nehme ich Sie mit auf eine kleine Zeitreise durch die Geschichte des Klöppelns.
Die Anfänge der Klöppelkunst in Europa
Die Kunst des Klöppelns hat ihren Ursprung in Südeuropa. Erste Zeugnisse stammen aus Italien und Flandern, wo bereits im 16. Jahrhundert kunstvolle Spitzen gefertigt wurden. Auch in Frankreich, Spanien und Portugal war die Technik hochgeschätzt – meist als dekoratives Element an Gewändern der wohlhabenden Oberschicht.
Wie das Klöppeln ins Erzgebirge kam
Einer alten Überlieferung zufolge wurde das Klöppeln um 1560 im sächsischen Annaberg eingeführt. Der Legende nach fand eine geflüchtete Frau Unterschlupf bei der Familie Uthmann – und brachte ihrer Gastgeberin Barbara Uthmann das Klöppeln bei.
Barbara Uthmann erkannte das Potenzial dieser feinen Handarbeit. Sie trug maßgeblich zur Verbreitung der Technik im Erzgebirge bei und gründete wenig später eine Klöppelwerkstatt, in der junge Mädchen das Handwerk erlernen konnten. Schon bald beschäftigte sie rund 900 sogenannte „Klöppelmädchen“ – eine bemerkenswerte Leistung für eine Frau im 16. Jahrhundert.
Vom Heimgewerbe zum Industriezweig
Was zunächst als einfache Erwerbsquelle für Bergwerksfamilien begann, entwickelte sich schnell zu einem bedeutenden regionalen Wirtschaftszweig. Um 1700 waren bereits mehr als 10.000 Klöpplerinnen und Klöppler im Erzgebirge tätig, einige Jahrzehnte später sogar rund 15.000.
Von dort aus verbreitete sich das Klöppeln weiter: in den Harz, nach Norddeutschland, nach Schwaben und bis ins heutige Bayern.
Klöppeln als Luxus – und Überlebenskampf
Da handgeklöppelte Spitzen sehr arbeitsintensiv sind, galten sie im 18. und 19. Jahrhundert als Luxusartikel – erschwinglich nur für wohlhabende Bürger*innen. Mit der Industrialisierung änderte sich das: Maschinen produzierten Spitzenware günstiger und schneller. Die traditionelle Handarbeit geriet unter Druck.
Doch die Klöpplerinnen gaben nicht auf. Um 1850 zählte man allein im Erzgebirge über 50.000 aktive Klöppelfrauen, die mit großem Fleiß und Können weiterarbeiteten – trotz wachsender Konkurrenz.
Bildung als Antwort: Die ersten Klöppelschulen
Um dem Handwerk eine Zukunft zu geben, entstanden um 1900 die ersten Klöppelschulen. Kinder und Jugendliche erlernten dort die Technik von Grund auf. Das Ziel: durch hohe Qualität wettbewerbsfähig bleiben – und gleichzeitig Armut und Landflucht entgegenwirken.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Noch in den 1920er-Jahren wurden handgeklöppelte Hochzeitskleider aus dem Erzgebirge bis in die USA exportiert.
Klöppeln heute: Kreatives Hobby mit Tradition
In den 1970er- und 80er-Jahren erlebte das Klöppeln ein echtes Revival. Überall in Europa gründeten sich Klöppelverbände und -gruppen, mit dem Ziel, das Wissen um diese besondere Handarbeit weiterzugeben – über Generationen hinweg.
Heute ist Klöppeln kein Erwerbszweig mehr, sondern eine kreative Freizeitbeschäftigung. Vor allem im Erzgebirge lebt die Tradition bis heute weiter: In Klöppelschulen, auf Handwerksmärkten, in Kursen an Volkshochschulen – und in liebevoll gestalteten Einzelstücken, die modernes Design und jahrhundertealtes Handwerk miteinander verbinden.
Fazit: Ein Faden, der Geschichte(n) verbindet
Klöppeln ist weit mehr als eine alte Technik. Es ist ein lebendiges Kulturerbe, das Geschichten erzählt – von Ausdauer, Kunstfertigkeit und weiblicher Stärke. Und es zeigt uns, wie aus Not und Fleiß Schönheit entsteht. Vielleicht macht gerade das die Faszination dieser feinen Handarbeit bis heute aus.


